GIOTTO DI BONDONE - Tafeln in München |
Giotto di Bondone
Giotto di Bondone begann in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts seine Lehre in Florenz. In der Werkstatt des berühmten italienischen Malers Cimabue lernte er zuerst die noch byzantinisch geprägte Kunst des Mittelalters kennen. Einen guten Eindruck, von dem, was Giotto in Florenz zu Beginn seiner Lehrzeit sah, kann man im Baptisterium der Stadt gewinnen. Das Kuppelmosaik spiegelt die Kunst des Mittelalters wieder.
Impulse
Doch es lagen bereits neue Ideen in
der Luft und Giotto war der richtige Mann zur richtigen Zeit. Der Maler erkannte
sofort
die Möglichkeiten neuer Ausdrucksweisen und setzte sie konsequent um. Giotto griff das neue Gedankengut
seiner Zeit auf und kombinierte es geschickt mit Einflüsse aus Frankreich und
Rom mit eigenen bahnbrechenden Ideen. Er war Maler, Vordenker und Erfinder
neuer Techniken und Ausdrucksformen.
Gefühle
Im Mittelpunkt seiner Werke stehen Emotionen. Giotto war der erste Künstler, der es wagte die gesamte Palette menschlicher Gefühle – im Auftrag der katholischen Kirche – überraschend realistisch darzustellen.
Das, was er malte entsprach nicht mehr der
ikonenhaften Bildtradition früherer Generationen, sondern er schuf ganz neue
Erlebniswelten für den noch mittelalterlich geprägten Kirchenbesucher. Die
intensiven Blicke seiner Protagonisten lassen den Betrachter nicht mehr los.
Geschichten
Giotto konzentrierte sich auf das Wesentliche und war dabei ein großartiger Geschichtenerzähler. Sein wunderbares Gespür für das richtige Timing zeigt sich in seinen gemalten Schnappschüssen. Seine Momentaufnahmen biblischer Texte fangen exakt den dramaturgischen Höhepunkt ein.
Die Wirkung der Bilder, die durch den übersichtlichen Aufbau der Szenen und die klare Gruppierung seiner Figuren, trotz aller Dramaturgie Ruhe ausstrahlen, kann man besonders deutlich bei der Betrachtung der großen Wandbilder in Padua, Assisi und Florenz spüren.
Dagegen laden die kleinformatigeren Tafel- und Altarbilder den Besucher ein, genau hinzuschauen und bemerkenswerte Details zu entdecken.
Die 7 Tafelbilder
Über die Entstehung der Tafeln, die
vor ca. 700 Jahren gemalt wurden gibt es keine Quellen. Sicher ist nur, dass es
sich anfangs um ein langes Bild handelte, dass später in Einzelteile zersägt
wurde. Der ursprüngliche Ort der Altartafel ist nicht bekannt. Die Anwesenheit des Heiligen Franziskus in der Kreuzigungsszene könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Tafel für eine Franziskanerkirche bestimmt war. Die Tafel könnte als Predella (= Sockelbereich unter einem Altarbild) oder als Altarverkleidung gedient haben.
Themen
Die Tafeln zeigen zwei Bilder aus der Kindheitsgeschichte und fünf Szenen aus der Passionsgeschichte von Jesus.
Geburt Christi und Anbetung der Könige, Metropolitan Museum. New York
Darbringung im Tempel, Isabella Steward Gardner Museum, Boston,
Das letzte Abendmahl, Alte Pinakothek, München
Die Kreuzigung, Alte Pinakothek, München
Grablegung Christi, Berenson Collection, Settignano
Abstieg in das Reich des Todes, Alte Pinakothek, München
Pfingsten, National Gallery, London
Obwohl es unüblich war, zwei Szenen aus der Kindheit Christi mit fünf Szenen aus der Leidensgeschichte zu kombinieren, ist sicher, dass es sich um den kompletten Zyklus handelt.
Durch Röntgenaufnahmen konnte die durchgängige Holzmaserung und damit auch die ursprüngliche Reihenfolge der Bilder sichtbar gemacht werden.
Die Münchner Tafeln
Das letzte Abendmahl
"Einer von euch wird mich verraten.(Jo 13,21) Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er tauchte den Bissen ein und gab ihn Judas, Simons Sohn, dem Ischariot.“ (Jo 21,27)
GIOTTO DI BONDONE -Das letzte Abendmahl - Alte Pinakothek München |
Dieses Thema, das Giotto ein zweites
Mal in Padua in der Scrovegnikapelle gemalt hat, zeigt Jesus mit den 12 Jüngern
beim letzten Abendmahl zu dem Zeitpunkt, als Jesus bereits verkündet hat: "Einer von
euch wird mich verraten." (Jo 13,21).
GIOTTO DI BONDONE -Das letzte Abendmahl - Alte Pinakothek München |
GIOTTO DI BONDONE -Das letzte Abendmahl - Alte Pinakothek München |
Die Männer sitzen auf
einfachen Holzbänken rund um eine Tafel. Außer Judas sind drei weitere Männer von
hinten dargestellt. Die Sitzordnung weicht von der sonst in der Kunst üblichen
frontal aufgereihten Komposition ab.
Giotto malt zum ersten
Mal in der Kunst eine lebendig wirkende Tischrunde mit Rücken- und Seitenansichten
in einer zeitgenössischen Umgebung.
Die Gäste des Abendmahls
sind modisch gekleidet. Die farbigen Gewänder, die im ersten Moment an antike
Tuniken mit Pallium erinnern, sind mit modernen
Goldborten des 13. Jahrhunderts verziert.
Einige Jünger wenden
ihre Köpfe erstaunt zu Jesus, andere sind in Gespräche vertieft. Ein junger
Mann im Halbprofil trinkt Wein und sein Sitznachbar schneidet gerade ein Brot
auf. Die Apostel sind als Individuen dargestellt. Sie unterscheiden sich
deutlich im Aussehen, in ihrer Kleidung und im Alter.
GIOTTO DI BONDONE -Das letzte Abendmahl - Alte Pinakothek München |
Auf dem Tisch stehen
Teller mit gebratenem Fleisch, wahrscheinlich dem Osterlamm, und halbgefüllte
Weingläser. Drum herum liegen auf dem gemusterten Tischtuch Messer und kleine
Brote verstreut.
Das Abendmahl ist in
einem bühnenartigen Raum dargestellt. Besonders rechts unten wird die kulissenartige
Konstruktion des Raumes durch den angeschrägten Holzsockel sichtbar. Die Rück-
und Seitenwänden werden durch einen umlaufenden Miniaturbalkon geschmückt, der
mit, für die Zeit typischen, Cosmaten-Einlegearbeiten verziert ist.
Wie in einem
Schnappschuss hält Giotto eine zeitgenössische Szene des täglichen Lebens fest.
Die Kreuzigung
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
Die Kreuzigungsszene befand sich ursprünglich genau in der Mitte
der Altartafel und nahm damit einen zentralen Platz ein.
Giotto
hält die Kreuzigung in dem Moment fest, als Jesus bereits gestorben ist.
„Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen
sie ihm die Beine nicht; sondern einer der Kriegsknechte stieß mit dem Speer in
seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.
(Jo 19, 33-34)
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
Seine Mutter Maria bricht zusammen und wird von zwei Frauen gestützt. „Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klophas, und Maria Magdalena.“(Jo 19,25) So wie im Johannesevangelium beschrieben, stellt Giotto die Gruppe mit vier Frauen dar.
Giotto malte zahlreiche
Kreuzigungsszenen auf denen üblicherweise Maria Magdalena das Kreuz umarmt oder
die Füße von Jesus berührt.
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
Rechts ist Johannes, der jüngste der
Apostel zu erkennen, der ungläubig zurückweicht. Er kann noch gar nicht
glauben, dass Jesus gestorben ist. Neben ihm steht ein Mann mit langem Bart,
der das Geschehen betrachtet. Dahinter ist noch der Kopf eines dritten Mannes
zu erkennen. Die beiden Männer neben Johannes tragen keine Heiligscheine.
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
Die beiden roten Engel, die über dem
Kreuz schweben blicken nach oben und deuten damit den bevorstehenden Weg von
Jesus in den Himmel an.
Auch bei dieser Kreuzigungsszene
konzentrierte sich Giotto auf das Wesentliche. Die sonst üblichen Begleiter,
Soldaten und Schaulustigen hat er weggelassen.
Abstieg
in das Reich des Todes„….hinabgestiegen in das Reich des Todes…“ aus dem Glaubensbekenntnis.
GIOTTO DI BONDONE - Abstieg in das Reich des Todes - Alte Pinakothek München |
Das heute eher unbekannte Motiv der
Höllenfahrt der dritten Tafel war im Mittelalter sehr beliebt. Es zeigt Jesus bei
der Rettung gerechter Seelen aus dem Reich des Todes.
Die Stelle im Glaubensbekenntnis „….hinabgestiegen in das Reich des Todes…“ bezieht sich auf die Vorstellung, dass Jesus in der
Nacht nach seiner Kreuzigung in die Unterwelt hinabgestiegen sei, um dort die
Seelen der gerechten Menschen, angefangen bei Adam und Eva zu befreien.
Man glaubte im Mittelalter, dass erst durch die Auferstehung Christi an Ostern der Himmel für gute Menschen offen stünde. Die Verstorbenen aus der Zeit vor Christi Geburt mussten im Reich des Todes solange warten bis Jesus sie holte.
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung - Alte Pinakothek München |
Auf
dem Bild befindet sich Jesus in Begleitung eines jungen Mannes am Eingang in die
Unterwelt. Er wendet sich Adam und Eva und vielen anderen zu, die auf ihn als Erlöser
warten.
Jesus
beugt sich zu ihnen. Sie strecken ihre Hände hilfesuchend ihm entgegen, voller
Erwartung. Jesus soll sie herausholen aus der Finsternis. Sie bitten darum und
sehnen sich danach. Und tatsächlich: Jesus schaut sie an, und schon hat er Adam
an der Hand gepackt um ihn aus der Unterwelt heraus zu holen.
Er wird auch die
anderen erlösen. Er wird sie alle mitnehmen.
GIOTTO DI BONDONE - Die Kreuzigung |
Nur um Jesus, den Erlöser herum ist
Licht. Das übrige Bild ist in Dunkelheit getaucht und man muss schon sehr genau
hinschauen um die Teufel, Flammen und leblosen Körper vor den dunklen Felsen zu
erkennen.
Herstellung der Tafeln
Vorarbeiten
In Italien verwendete man für die Tafelherstellung Kastanien- oder Pappelholz. Erst wurden Rahmen- und Zierleisten befestigt, dann begann die Grundierung.
Die leimgebundene Gipsgrundierung wurde in mehreren Schichten aufgetragen und anschließend glattgeschabt und poliert.
Auf dem so entstandenen weißem Untergrund führten die Maler ihre Vorzeichnung aus. Sie ritzten die Umrisslinien mit einem Metallgriffel leicht ein, um später die Grenzen zwischen den zu vergoldenden Bereichen und der Malschicht gut zu erkennen.
Vergoldung und Farbe
Die Vergoldung erfolgte stets vor dem Malen. Um mit möglichst geringen Mengen des kostbaren Materials auszukommen, arbeitete man mit feinen Goldblättern. Das Ausgangsmaterial waren Goldmünzen, die zu hauchdünnen 5 – 9 cm breiten quadratischen Blättern geschlagen wurden.
Zu Beginn der eigentlichen Vergoldung erfolgte der Auftrag einer weichen Tonschicht, die meistens aus rotem Ton vermischt mit Eiklar bestand. Aufgrund der Fettigkeit und der Saugwirkung des roten Tones haftete das Blattgold sehr gut auf diesem Untergrund.
Abweichend von der traditionellen Verwendung roten Tons, verwendete Giotto für die sieben Tafeln eine sehr feine Schicht grüne Erde, die den Bildern einen kühlen Unterton verleiht.
Mit einem Anschießer, in der Regel ein dickes Papier, nahm man das Blattgold auf und legte es auf den zusätzlich mit Eiklar und Wasser benetzten Untergrund. Dann drückte man die feine Goldschicht vorsichtig mit Wolle oder einem Pinsel an. So legte man Blatt für Blatt mit einer geringen Überlappung auf und polierte anschließend die Fläche mit einem Tierzahn oder Polierstein.
Nach der Vergoldung konnten die freigelassenen Stellen bemalt werden. Farbuntersuchungen der Londoner Tafel haben ergeben, dass Giotto Bleiweiss, Blei-Zinngelb, Ocker, Zinnoberrot, rote Erde, grüne Erde, Harz des Drachenbaumes, sog. Drachenblut, Azurit und das sehr kostbare Ultramarinblau für diese Tafeln verwendete. Bemerkenswert ist, dass Giotto oft mehrere Farbschichten übereinanderlegte und somit interessante Farbeffekte erzielte.
Fazit
Obwohl nichts über die Entstehung und den Verwendungszweck der sieben Tafeln bekannt ist, kann man aufgrund stilistischer Vergleiche ziemlich sicher davon ausgehen, dass Giotto di Bondone der Maler dieser Bilder ist.
Giotto hat einen sehr individuellen Stil der Momentaufnahme entwickelt. Auch in den Münchner stellt er die Gefühle seiner Protagonisten durch Blicke und Gesten ausdrucksvoll in den Vordergrund. Tafeln. Er inszeniert die Szenen ruhig und klar, indem er sich auf das Wesentliche konzentriert.
Bereits seine Zeitgenossen waren von der lebendigen, für die damalige Zeit völlig neuen Bildgestaltung, fasziniert und feierten Giotto di Bondone als Star. Seine Bilder wurden für die nächsten Generationen richtungsweisend und dienen bis heute großen Künstlern als Inspiration.
2017 feiert Giotto seinen 750. Geburtstag.
giottoblog.de
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Literatur
Bomford, D. et al., Art in the Making: Italian Painting before 1400, National Gallery London, 1989